Mehr EUphorie!

Dieses Jahr finden die Europawahlen statt. Das kümmert in der Schweiz niemanden. Auch, dass der Bundesrat die Sondierungsgespräche beendet hat und nun das Verhandlungsmandat ausarbeitet, konsultiert, alle betroffenen Gruppierungen anhört und danach hoffentlich sehr bald mit den Verhandlungen für institutionelle Verbindungen mit der EU beginnt, wird in den Medien ausschliesslich negativ dargestellt.

Viel zu viel Zeit ist vergangen seit dem unverständlichen Abbruch der Verhandlungen zum institutionellen Rahmenabkommen. Seither sind wir unter anderem nicht mehr bei Horizon Europe assoziiert und unsere Kulturschaffenden sind aus Creative Europe ausgeschlossen. Warum sehen wir eine geregelte Zusammenarbeit mit der EU nicht vermehrt als Chance? Warum diskutieren wir im Klein-Klein, wenn es doch nur zusammen geht? Die grossen Herausforderungen unserer Zeit, die Lösung der Klimakrise und die Friedensförderung schaffen wir nur gemeinsam.

Ich verstehe nicht, wieso rechte Kräfte isolationistisch weiterfahren wollen. Die Schweiz hat bereits in wichtigen Bereichen ihre Vorreiterrolle verloren. Bei der Klimapolitik gibt heute die EU den Takt vor. Mit ambitionierten Programmen treibt sie europaweit den Klima- und Umweltschutz voran. Das Gleiche gilt für den Ausbau der sozialen Rechte. So fördert die EU etwa europaweite Mindestlöhne, die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern sowie die weltweite Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards, etwa mit dem Lieferkettengesetz oder dem CO₂-Grenzausgleich (CBAM).

Die Schweiz liegt mitten in Europa. Unser Interesse an geregelten Beziehungen mit der EU ist gross, wie auch das der EU. Lohnschutz, Service public, Energie – alles Bereiche, die in der Schweiz wichtig sind und für die wir eine faire Regelung finden müssen. Und die EU so auch von unseren guten Systemen und Erfahrungen profitieren kann.

Und damit die EU wieder zu mehr Frieden und Zusammenhalt beitragen kann, müssen uns auch die Europawahlen interessieren. Denn wenn der Rechtsrutsch auch im EU-Parlament stattfindet, werden wir noch stärker für unsere Demokratien und Institutionen kämpfen müssen. Denn nie mehr ist jetzt.

(Dieser Artikel ist in ähnlicher Form als Kolumne im Sonntagsblick erschienen.)

Foto: Parlament.ch